30 Jahre Selbsthilfe im VPE
Eine Skizze von Christoph
Mensch, wie die Zeit vergeht. Der VPE Hannover existiert im Herbst 2021 schon dreißig Jahre. Menschen sind älter geworden, der Selbsthilfegedanke selbst nicht, er ist jung und frisch wie eh und je.
Doch was heißt Selbsthilfe? Dazu schreibt die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe: „Die gesundheitsbezogene Selbsthilfe basiert auf dem freiwilligen Zusammenschluss von Menschen, die eine chronische Erkrankung oder Behinderung haben oder als Angehörige betroffen sind. Charakteristisch ist
dabei ein regelmäßiger und vor allem selbstbestimmter Austausch über den Umgang mit der chronischen Erkrankung oder Behinderung, um die persönliche Lebensqualität zu verbessern.“
War das eine Aufbruchstimmung im Herbst 1991, als die Gründermütter und -väter sich mehrfach in der MHH trafen, um die Gründung eines Selbsthilfevereins für psychisch erkrankte Menschen in Hannover zu organisieren. Ideen mussten gebündelt und kanalisiert werden. Der rechtliche Rahmen musste stimmen. Das hieß, eine Satzung musste her und ein gewählter Vorstand. Noch vor Winteranfang wurde dies realisiert und der VPE wurde anschließend ins Vereinsregister eingetragen.
Doch was wollte der frisch geborene VPE? Schnell wuchs die Mitgliederzahl.
Viele Menschen in Hannover mit Psychiatrie-Erfahrung wollten sich organisieren und sich austauschen. Schnell wurde klar, eine eigene Kontaktstelle sollte aufgebaut werden, ein Treffpunkt unabhängig von psychiatrischen Institutionen.
Somit wurde das Herz des VPE geboren: die Teestube. Die Verantwortlichen im VPE fanden einen kleinen Laden in der Edenstraße 38, der dafür geeignet war. Möbel wurden organisiert, ein kleines Büro eingerichtet. Spenden flossen, Mitgliedsbeiträge wurden erhoben. Der VPE eröffnete seine Teestube im
Frühsommer 1992. Die Mitgliederzahl im VPE wuchs rasant. Vieles wurde diskutiert und geplant. Bereits im März 1992 erschien für die Mitglieder des VPE erstmalig der VPE-Report, damals monatlich. Bis heute ist dieses Mitgliederblatt unter diesem Namen aktuell. Mitglieder des jungen VPE waren an der Gründung
des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener beteiligt.
Psychiatriepolitische Forderungen spielten von Anfang an eine große Rolle im VPE. Somit zog man 1992 in den Arbeitskreis Gemeindepsychiatrie in Hannover mit drei zentralen Forderungen: Schaffung von Tagesstätten in Hannover, Schaffung von wohnortnahen beruflichen Rehabilitationsangeboten in
Hannover und Schaffung eines Kriseninterventionsdienstes in Hannover.
Einige Jahre später wurde bilanziert: Alle Forderungen wurden umgesetzt, u.a. Vereine wie beta89, Ex & Job und Balance sorgten dafür. Mit dem Angehörigenverband AANB und der amtlichen Psychiatriekoordination fand Austausch statt. Doch finanziell war der VPE arm, somit wurden zunächst die Stadt Hannover und später die Region Hannover bis heute dankenswerterweise gewonnen, um im VPE haupt- und ehrenamtliche Arbeit zu ermöglichen 1997 fand der VPE größere Räume in der Rückertstraße 17 in der Calenberger Neustadt, was angesichts der hohen Mitgliederzahl und der zunehmend sehr
vollen kleinen Teestube in der Edenstraße notwendig war. Bis heute hat der VPE seine Räumlichkeiten dort.
Was machte der VPE so? Psychoseseminar, Beteiligung an der Gründung der Landesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener Niedersachsen, eine Demonstration für die Verbesserung der Situation Psychiatrie-Erfahrener und gegen Kürzungen im ambulanten Bereich, Erhalt des Selbsthilfepreises 1997.
Frauengruppe, Frauenfahrten, Urlaubsreisen an die Ostsee, Stammtisch in der Destille, Discoabende. Runder Tisch, Klausurtagungen, Enthüllung eines Mahnmals im LKH Wunstorf zur Erinnerung an die Deportation und Ermordung psychisch erkrankter Menschen. Sommerfeste im Gartenhaus an der
Christuskirche, Mitgründung der Beschwerde- und Ombudsstelle,
Tagesausflüge, Städtereisen. Viel und noch mehr war los im VPE, viele Helfer waren emsig und fleißig.
Bis heute wird im VPE viel angeboten. Neben jährlichen Urlaubsreisen sind es vor allem verschiedenartige Gruppenangebote und diverse Telefonberatungen, die den VPE derzeit prägen. Gerade in Corona-Zeiten ermöglichen themenzentrierte Angebote und eine reduzierte Teestube sowie einzelfallorientierte Hilfestellungen eine gelebte Vereinsstruktur in diesen Tagen.
Als Gründungsmitglied kann ich auf sehr bewegte und emotionale Tage im VPE bis heute zurückblicken. Viele Professionelle trauten Anfang der 90er Jahre dem VPE kein langes Überleben zu. Doch der unermüdliche Einsatz vieler Mitglieder, hauptamtlich Tätiger, Förderinnen und Förderer sowie Freundinnen und Freunde des VPE bewirkte ein stetiges und abwechslungsreiches Vereinsleben und sorgte für unzählige zwischenmenschliche Kontakte untereinander im Verein bis heute.
Der VPE lebt auch 2021. Viele, die schon lange dabei sind, sind älter geworden. Junge, motivierte Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung als Patientin oder Patient finden nur schwer in den VPE. Dabei ist die Idee der Selbsthilfe aktueller denn je.
Gemeinsame Interessen für Freizeit und Politik bestehen. Der Gedanke der gegenseitigen Unterstützung kann emotional helfen und Verantwortung ermöglichen. Man ist als psychisch erkrankter Mensch Experte in eigener Sache und kann Erfahrungen an andere weitergeben.
Gesundheitliche und materielle Herausforderungen bestehen für viele psychisch erkrankte Menschen. Diese kann man z.B. gemeinsam angehen, wenn man sich im Selbsthilfeverein zusammentut. Tipps für den Alltag kann jeder gebrauchen wie auch Informationen über Versorgungsangebote im Gesundheits-, Sozial- und Behördenwesen.
Wie viele andere bin ich froh, dass es den VPE gibt und wünsche dem Verein noch viele engagierte Jahrzehnte in der Zukunft. Ein großes Danke an alle engagierten Kräfte im Verein und an die finanziellen Gönner.